NGL ONE verzichtet auf CS

readmore.de: Welche Gründe haben zur Einstellung des Ligabetriebes in CS 1.6 gefährt?
Michael Micha Haenisch: Es gibt verschiedene Gründe, die zu dieser Entscheidung geführt haben. Die Werbemöglichkeiten, die es durch den Titel Counter-Strike gibt, sind sehr eingeschränkt. Während wir beispielsweise Sponsoren auf WarCraft-III-Maps problemlos integrieren können und somit ohne das Spielgeschehen zu beeinflussen dezent Werbung platzieren können, ist solche In-Game-Werbung in Counter-Strike nicht möglich.

Die Zuschauerzahlen sprechen ebenfalls eine recht deutliche Sprache – sowohl online als auch offline. Zwar kann keiner behaupten, dass die Finalspiele auf der Games Convention oder im CineStar nicht spektakulär gewesen wären oder die Spannung im Publikum nicht geknistert hätte, jedoch haben grundsätzlich mehr Zuschauer den WarCraft-III-Spielen beigewohnt als es bei Counter-Strike der Fall war.


Michael Haenisch

Gerade in Spielen ohne deutsche Beteiligung merkte man hier mit einigen Ausnahmen sehr deutliche Unterschiede über vier Seasons hinweg. Während gerade wegen WarCraft III in Asien die NGL ONE immer mehr Zuschauer, Fans und berichtende Kooperationspartner findet, ist das Interesse an der Counter-Strike-Liga im internationalen Raum eher mager für das Niveau der Spiele und der Liga. Das lässt sich an Livezuschauern messen, wie auch Downloads zu Replays und Demos oder an den Statistiken der Webseite.

Zudem ist das Thema Shooter nicht nur in Deutschland skeptisch beäugt – hier wird über Verbote gesprochen und immer wieder köchelt das Thema vor sich hin. Aktuell wird im Spiegel wieder Counter-Strike erwähnt in einem Artikel, der auch das Bild eines Amokläufers zeigt. Diese Zusammenhänge wird man mit Counter-Strike nicht mehr los. Im Sponsorenmarkt gibt es viele Unternehmen, die sich dem Thema eSports genau aus diesem Grund noch nicht angenommen haben und auch über die deutschen Grenzen hinaus eSports nur im Rahmen von Sport und Strategie fördern möchten. Ich spreche dabei nicht von den klassischen Sponsoren, die sich bereits im eSports engagieren, sondern vielmehr von neuen Sponsoren, die sich dem Thema noch nicht angenommen haben aus den genannten Gründen.

Für uns bedeutet auch der deutsche Jugendschutz bei der Durchführung von Veranstaltungen, wie beispielsweise der NGL ONE Finals auf der Games Convention, sehr gravierende Einschnitte. Ein Sichtschutz mit entsprechenden Alterskontrollen kostet nicht nur viel Geld, sondern er ist eben auch eine Sichtblockade, die es schwer macht Publikum für unbekannte Themen zu interessieren. Mit offenen Bühnen und der Möglichkeit der freien Ausstrahlung kann man für den eSports wesentlich mehr tun als wenn man sich hinter Vorhängen und Bauten verstecken muss, weil es der deutsche Jugendschutz so vorsieht. Counter-Strike kostet durch diese Maßnahmen und wegen des Preisgeldniveaus extrem viel und führt dazu, dass man gegenüber Sponsoren einen wegen des Jugendschutzes unattraktiveren Auftritt rechtfertigen muss. Währenddessen interessieren sich viel weniger Leute für die NGL-ONE-CS-Spiele als für die WarCraft-III-Liga und auch gerade für Medien ist Counter-Strike immer wieder ein Aufhänger für die negative Darstellung von eSports, während andere Medien sich wegen CS eher aus der Berichterstattung raushalten oder sich nur auf WarCraft konzentrieren.

Die Möglichkeit der offenen Darstellung, wenn man keine Jugendschutzaspekte berücksichtigen muss, ist dabei natürlich für das Publikum und die Sponsoren erheblich interessanter. In den letzten Jahren hat man gemerkt, dass sehr viele Unternehmen sich lieber mit Strategie- und Sportspielen präsentieren, weil es einfacher und unstrittiger ist.

Aus Counter-Strike ist aus den genannten Gründen nicht das gleiche Potenzial zu schöpfen wie beispielsweise aus WarCraft III. Mögliche Fernsehübertragungen, offene Bühnen, Möglichkeiten der Werbung im Spiel, größeres Interesse von Sponsoren, Partnern und Medien an Sport- und Strategietiteln sind einige der Gründe, die uns überzeugt haben diesen Schritt zu gehen.

readmore.de: Ist nicht gerade der CS-Bereich immer wegen der wenigen internationalen Begegnungen in CS interessant gewesen?

Micha: Leider nicht wie ich es erwartet hätte. Der Counter-Strike-Bereich hat in Deutschland guten Anklang gefunden, aber im Verhältnis zu WarCraft III auch hier nicht überragt. Während sich die WarCraft-III-Liga in Sachen Publikum sehr stark in Deutschland und auch international entwickelt hat, war das internationale Interesse an den CS-Spielen eher gleichbleibend.

Ich habe auch mit einem anderen Feedback und einem höheren Interesse gerechnet, habe mich allerdings geirrt. Ein weiteres Problem ist dabei sicherlich auch, dass es für Counter-Strike kein Waaagh!TV gibt, sondern nur HLTV. Der gravierende Nachteil ist, dass man Shoutcasts nicht synchron zu HLTV-Servern anbieten kann und damit dem CS-Publikum nicht das gleiche bieten kann wie den WarCraft-III-Fans.

Für Counter-Strike gäbe es also nur die Möglichkeit Videostreams anzubieten, aber viele Projekte haben hierzu nicht die Möglichkeit. Gerade in anderen EU-Ländern gibt es nicht viele Broadcaster mit einem eigenen IPTV-Studio, wohl aber viele Audioshoutcaster. Bislang ist für dieses Problem auch keine Lösung in Sicht.

Zudem sind die Latenzunterschiede in Sport- und Strategiespielen nicht so erheblich wie in Counter-Strike. Der organisatorische Aufwand einen passenden Server zu suchen, hat immer wieder für Probleme und Proteste der Teilnehmer gesorgt.

readmore.de: Gibt es bei einer Liga wie der NGL ONE einen finanziellen Unterschied zwischen CS und WC3?

Micha: Die Kosten für Counter-Strike sind erheblich höher. Das fängt beim mehr als doppelten Preisgeld an, welches jedoch nur ein Bruchteil der Kosten ausmacht. Die Organisationskosten der CS-Finals sind durch die Teamgröße höher, während der größte Kostenblock jedoch auf einer Messe wie der Games Convention für den Bau der Bühne und Tribüne entsteht, die einen jugendschutzkonformen Sichtschutz mit Zutrittskontrollen erfordert. Auch beim Bau der Spielerbereiche entstehen Mehrkosten, da auch hier der Jugendschutz beachtet werden muss und trotzdem der Anspruch bestand, die Zuschauer möglich nah an die Spieler zu bringen.

Counter-Strike ist ein echtes Teamspiel und deshalb eigentlich super geeignet, um die sportlichen Aspekte des vernetzten Computerspielens deutlich zu machen. Wenn jedoch das Interesse nicht stimmt, wird die Finanzierung fraglich. Warum soll man für den schlechteren Ligatitel ein Vielfaches der Kosten und zum Teil erhebliche Nachteile in der Darstellung und Kommunikation auf sich nehmen?

Die Kosten der CS-Liga liegen also nachvollziehbar deutlich höher als für ein USK12-Spiel wie WarCraft III und scheinen uns nicht gerechtfertigt.

readmore.de: Vor einem halben Jahr wurde von CS:Source als Nachfolger in der NGL ONE geredet. War das ein Thema für euch?

Micha: Wir haben das Thema intern oft diskutiert und auch mit der G7 eine enge Abstimmung hierzu vereinbart. CS:S war ein Thema, genauso wie CS ProMod – jedoch sind die genannten Probleme damit nicht behoben. Vielleicht bietet CS ProMod eine bessere Möglichkeit der Übertragung per Shoutcast, denn das würde die Szene aus meiner Sicht wirklich brauchen.

Zu CS:Source kann man jedoch die gleichen Argumentationen anführen, die für uns das Ende der Counter-Strike-Liga entschieden haben.

readmore.de: Was muss passieren, dass die NGL ONE wieder CS in ihr Programm aufnimmt?

Micha: Das ist eine gute Frage, die ich nicht beantworten kann. In der Diskussion darüber, wie sich die NGL ONE nun ausrichten wird und dass Counter-Strike nicht mehr fortgesetzt wird, haben wir sehr lange darüber diskutiert, ob wir uns gänzlich gegen Shooter abgrenzen wollen oder nicht. Wir haben uns entschlossen, dass wir hierzu als klares Statement formulieren, dass wir uns auf Strategie- und Sportspiele konzentrieren wollen. Eine Rückkehr zu den Shootern ist nicht ausgeschlossen, aber im Moment nicht absehbar.

readmore.de: Mit welchen Reaktionen rechnet ihr in der Szene?

Micha: Ich rechne bei vielen erstmal mit überwiegend eher wenig Verständnis für unsere Entscheidung, während sich einige länger mit unseren Beweggründen auseinandersetzen werden. Es gäbe viele Interviews, die ich lieber geben würde als eines über die Entscheidung, dass wir ein Spiel aus der Liga nehmen. Ich spiele selber sehr lange und immer noch sehr mittelmäßig Counter-Strike und habe viel Spaß daran, wenn ich nicht gerade mal wieder mit meinen Freunden zerpflückt werde.

Diese Entscheidung macht mir aus der Sicht keine Freude, aber ich vertrete sie, weil ich auf der anderen Seite sicher bin, dass es mittelfristig die richtige Entscheidung ist. An die nun möglichen Veränderungen in der Darstellung und Positionierung der NGL ONE ist es denn auch geknüpft eine Liga zu führen, die auf anderem Wege und mit anderen Titeln sehr spannend für die Zuschauer und die Szene bleiben wird.

Zudem bleibt die weitere Entwicklung von Counter-Strike generell erst einmal abzuwarten. Das Interesse der Industrie am Spiel lässt ganz eindeutig nach – nicht nur wegen des Themas, sondern beispielsweise auch weil man mit Counter-Strike nur schlecht Werbung für aktuelle Hardware machen kann im Gegensatz zu aktuellen Titeln. Ich glaube nicht, dass die NGL ONE langfristig die einzige Organisation sein wird, die sich von Counter-Strike entfernt. Die Frage ist nicht, wieso es so viele Sponsoren gibt, die auch Organisationen unterstützen, die mit dem Thema Counter-Strike schon lange und erfolgreich ihren Weg meistern. Die Frage sollte lauten, warum andere Unternehmen und Medien nur so zögerlich diesen Markt unterstützen und wie viele der heutigen Unternehmen gerade ein hohes Interesse am Titel Counter-Strike 1.6 haben.

readmore.de: Welche Ziele habt ihr mit Warcraft 3?

Micha: Es wird nicht bei WarCraft III bleiben, auch wenn an dieser Stelle nichts über kommende Ligatitel gesagt wird. Demnächst wird mehr für das Publikum geboten, sowohl auf der Page als auch auf den NGL ONE Finals. Die Liga wird nicht gravierend verändert, lediglich Anpassungen im Regelwerk sind zu erwarten.

Mittelfristig werden wir die Homepage dem internationalen Interesse an der Liga anpassen und ausgewählte, weitere Sprache hinzufügen. Viel mehr möchte ich an der Stelle über unsere Planungen jedoch nicht preisgeben.

readmore.de: Freaks4U hat unter dem Namen von GameSports Community-Portale für Starcraft 2 und Team Fortress 2 eröffnet. Sind das Spiele, die vielleicht bei euch später einen größeren Stellenwert einnehmen werden?

Micha: Die GameSports-Communityseiten sprechen für GameSports und nicht für Freaks 4U. Wie auch mousesports hat GameSports sich von Freaks 4U weitestgehend gelöst. Es ist also eher zu erwarten, dass GameSports eigene Aktivitäten für Team Fortress 2 anbietet als dass man hierdurch eine mögliche Ausrichtung der NGL ONE erkennen sollte. Was StarCraft II angeht, spricht der Titel für sich – wenn das Spiel den Erwartungen entspricht, wird es sicherlich sowohl in der NGL ONE als auch bei GameSports einen hohen Stellenwert einnehmen. Was Team Fortress 2 angeht, hoffe ich, dass das Spiel noch ausreichend Möglichkeit erhalten wird sich als eSports-Titel zu beweisen. Eine Integration in der NGL ONE halte ich momentan für unwahrscheinlich, weil einige der genannten Gründe, die es schwierig machen mit Coutner-Strike zu arbeiten, auch für Team Fortress 2 gelten.

readmore.de: Wieso hat sich die NGL ONE nie in den Breitensport-Ligamarkt getraut?

Micha: Durch die NGL ONE haben wir an uns selber den Anspruch einer professionellen Liga gestellt. Es ist leider teilweise schon schwierig, dass diese Ansprüche von den teilnehmenden Teams erfüllt werden – gerade im Counter-Strike-Bereich hat man dies an Spielverschiebungen gesehen, die sich bei einzelnen Teams gehäuft haben. Eine Breitensport-Liga hat einen erheblich höheren administrativen Aufwand und muss sich Problemen stellen, die mittelbar auch dazu führen würden, dass die Qualität der NGL ONE in untergeordneten Ligen nicht auf dem gleichen Niveau angeboten werden könnte. Ein derartiger Schritt will also gut vorbereitet sein, unsere Zurückhaltung hat also eher mit Vernunft und Vorbereitung zu tun als damit, dass wir uns nicht getraut hätten. Die Zielsetzung der NGL ONE lautete von Anfang an, dass die Liga sich an die Profiteams richtet und eben nicht an die breite Masse an Teilnehmern.

readmore.de: Wird es wieder regelmäßige Offline-Events außer den Finals geben?

Micha: Durch die Einschnitte kann die NGL ONE anders dargestellt werden, was auf die kommenden Events erheblichen Einfluss haben wird. Der Schritt Counter-Strike zu streichen ist jedoch nicht unmittelbar daran gekoppelt mehr oder wieder regelmäßige Offline-Events anzubieten. Sicherlich wird die NGL ONE aber öfter im Rahmen der eSports Convention auch auf anderen Messen und in anderen Städten zu sehen sein in diesem Jahr.

readmore.de: Welche CS-Spiele wird GameSport in der Zukunft zeigen?

Micha: Die Frage ist interessant in einem NGL-ONE-Interview. Die Ausrichtung von GameSports ist nicht an die der NGL ONE geknüpft, was unter anderem an der grundlegend unterschiedlichen Finanzierung der Projekte liegt. Trotz des Wegfalls der Counter-Strike-Liga der NGL ONE bieten sich noch viele Veranstaltungen über das Jahr verteilt, die Counter-Strike momentan anbieten. In der ersten Jahreshälfte gibt es viele Qualifier der ESWC zu übertragen, während sich in der zweiten Jahreshälfte KODE5 positioniert hat. Man kann über das vorhandene Angebot also auch die NGL ONE weiterhin regelmäßig Counter-Strike übertragen.

readmore.de: Wie weit hat der Wettbewerb mit der ESL mit einem Ende der NGL ONE zu tun?

Micha: Die genannten Gründe haben mit und ohne den Wettbewerb zur ESL bestand, von daher ändert sich durch diesen Umstand nicht viel daran. Sicherlich könnte das Interesse an einer Liga mit Alleinstellungsmerkmal größer sein als wir es im Moment in der NGL-ONE-CS-Liga im internationalen Raum erfahren. Jedoch ist das spekulativ und in den Spielpausen des Extreme Masters haben wir keine höheren Zuschauerzahlen zu verzeichnen gehabt.

Man sollte bei der Betrachtung auch mal schauen, wie groß Counter-Strike communityseitig in Deutschland ist im Verhältnis zu anderen Ländern. Während die ESL beispielsweise in Deutschland sehr erfolgreich mit den Friday Night Games ist, sind internationale FNGs im Ausland mit absoluten Topbesetzungen teilweise sehr mager besucht – in jedem Fall kein Vergleich zu deutschen Verhältnissen.

Wir sind keine deutsche Liga, weshalb die Vergleichbarkeit mit der ESL schwer ist. Sicherlich gelten aber viele Gründe auch für die ESL, die hier im Interview benannt sind, führen aber bislang auf der anderen Seite nicht zum gleichen Resultat. Es gibt immer jemanden, der den ersten Schritt macht.

Das Interview führte Daniel Jensen.

Quelle: readmore.de